Queere Geschichte erhalten: Archivzentrum in Berlin geplant
In Berlin haben sich drei Archive zusammengeschlossen, um ein gemeinsames Zentrum für lesbisch-queere, feministische und sexualwissenschaftliche Geschichte zu schaffen. Räume wurden schon gefunden – jetzt gibt's eine Spendenkampagne.
Von Saskia Balser
23.6.2024 - Mehrere queere Archive in Berlin kämpfen derzeit mit der Existenzsicherung. Aus diesem Grund haben sich das feministische Archiv FFBIZ, die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft und das Spinnboden Lesbenarchiv und Bibliothek zusammengeschlossen. Ihr gemeinsames Ziel: Sie wollen ihre Archive erhalten.
Grund für ihre Not sind die hohen Mietpreise in Berlin. Denn die Archive wachsen stetig und wollen auch weiterhin Material annehmen können. Doch die Berliner Mietpreise stehen dem Umzug in größere Räume im Weg. Das FFBIZ muss Ende April bereits aus seinen Räumlichkeiten ausziehen. Das Magazin mit den Archivbeständen musste sogar an den Stadtrand ausgelagert werden. „Das bedeutet ständige Transportwege zwischen Büro/Leseraum und Magazin – und wir sind personell schon jetzt unterbesetzt“, sagt Roman Klarfeld vom FFBIZ.
„Zusammenschluss der Archive würde Boom bedeuten“
Die Berliner Archive, die die Geschichte von feministischen und lesbischen-queeren Bewegungen und die Geschichte des Instituts für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld dokumentieren, an einen gemeinsamen Standort zu bringen, würde gleich mehrere Vorteile bringen. Zum einen ergänzen sich die Sammlungen und Interessent:innen könnten auf alle Materialien auf einmal zugreifen.
„Und die zweite Überlegung dabei ist: Wenn die drei Archive gemeinsam einen Lesesaal haben, können wir trotz mangelnder Personalausstattung mit den wenigen Ehrenamtlichen den Lesesaal die ganze Woche offen halten“, erklärt Ralf Dose von der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. Er glaubt sogar: „Der Zusammenschluss der Archive würde einen großen Boom bedeuten.“
Die Räume in Neukölln wären „ein Sechser im Lotto“
Für den Erhalt der Archive wurde nach einer gemeinsamen Lösung gesucht – und auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln wurde sie gefunden. Dort könnten die Archive nämlich Räume beziehen, die ihre Ansprüche erfüllen und das Gebäude gemeinsam mit den anderen Mieter:innen, darunter der queere Club SchwuZ, als Genossenschaft betreiben. Das würde sie nicht nur kurzfristig absichern. „Mit dem neuen Archivzentrum hätten wir durch die Struktur der Genossenschaft eine Garantie auf 99 Jahre stabile Mieten“, erklärt Giuseppina Lettieri vom Spinnboden.
Die stabilen Mieten, die queere Nachbarschaft am Rollberg sowie die zentrale Lage sind Gründe dafür, warum der Umzug in diese Räumlichkeiten weitaus mehr als eine Problemlösung darstellen würde. „Dort einzuziehen wäre für uns ein Sechser im Lotto“, sagt Lettieri.
Doch der Umzug ist aus finanziellen Gründen noch unsicher
Für den archivgerechten und barrierearmen Umbau der neuen Magazinräume wurden den Archiven bereits Fördergelder und Lottomittel in Aussicht gestellt. Trotzdem ist der Umzug noch nicht gesichert.
Jede der Einrichtungen muss als Genossenschaftsmitglied nämlich bis Ende Oktober 99.000 Euro zahlen. Um diese Summe aufzubringen, haben die Archive eine Spendenkampagne auf Betterplace gestartet. Klarfeld betont: „Wenn das Spendenziel nicht erreicht wird, können wir das gemeinsame Projekt nicht umsetzen. Das bedeutet für alle drei Einrichtungen eine unsichere Zukunft.“
Die befreundeten Archive bleiben optimistisch – obwohl noch sehr viel Geld fehlt. „Es geht immerhin um das Erbe einer Bewegung. Wenn sich niemand um den Erhalt der Geschichte kümmert, verschwindet sie“, sagt Dose. Und Lettieri ergänzt: „Die Archive sind wichtige Quellen für Widerständigkeit und Inspiration für Generationen, die jetzt da sind und die noch kommen. Und deswegen ist es wichtig, dass diese Orte auf Dauer gesichert werden.“
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