L-Mag

Tipps, wie wir auf rechte, queerfeindliche Sprüche reagieren können

Gewalttätige Übergriffe auf CSDs nehmen zu, rechte Parteien gewinnen Stimmen mit queerfeindlichen Parolen. Wie können wir uns in unserem sozialen Umfeld, in unserem Alltag verhalten? Lisa Bendiek und Anne Gehrmann vom „Kulturbüro Sachsen“ geben Tipps.

Tobias Möritz/ CC-BY-SA

Von Franziska Schultess, 20.7.2025

L-MAG: Anne und Lisa, bei der letzten Bundestagswahl kam die AfD in Sachsen auf rund 37 Prozent der Stimmen. Ihr wohnt beide in Leipzig, seid im Zuge eurer Arbeit aber viel im ganzen Bundesland unterwegs. Welche Erfahrungen macht ihr in der Auseinandersetzung mit Menschen, die AfD wählen?

Anne: Auf persönlicher Ebene kommt man in Sachsen nicht dran vorbei. Da machen alle die Erfahrung, irgendwann mit AfD-Wähler:innen zumindest mal ins Gespräch zu kommen.

Wie verhält man sich da am besten?

Anne: Es ist gut, zu unterscheiden, mit wem ich es zu tun habe: Ist es eine Person, die mit Ideen der AfD sympathisiert? Jemand, der sie wählt? Oder jemand, der eine Funktion in der Partei hat?

Lisa: Es macht keinen Sinn mit jemandem, der Funktionär der AfD ist, über demokratische Grundwerte zu diskutieren, weil ich diesen Menschen nicht dazu bringen werde, seine Positionen zu überdenken. Es ist wichtig, zu schauen, ob das Gespräch Potenzial hat - oder ob ich im schlimmsten Fall rechten Positionen nur eine Bühne biete.

Wie entscheidet ihr, wie ihr reagiert? Wenn ich zum Beispiel in der Schlange beim Bäcker stehe und jemand lässt einen rassistischen Spruch los...

Lisa: Ich mache häufig die Erfahrung, dass Leute, die mit rechten oder rechtsoffenen Menschen sprechen, mit einem unrealistischen Ziel in solche Gespräche gehen… nämlich mit dem Wunsch, die Person zu überzeugen. Und das hat bei manchen keine Aussicht auf Erfolg. Aber es gibt ja auch andere Ziele: Etwa, meine Kollegin neben mir in der Schlange zu schützen, die sich von dem rassistischen Spruch bedroht fühlt. Oder deutlich zu machen, dass diese Position hier nicht Konsens ist.

Also sollte ich erst nachdenken, bevor ich reagiere?

Lisa: Wir empfehlen mehrere Schritte der Analyse, bevor ich ins Handeln komme. Das ist natürlich schwer, das in einem Schockmoment umzusetzen. Aber man kann das üben – wir bieten zum Beispiel Workshops dazu an.

Wie sehen diese Analyseschritte aus?

Lisa: Wir fragen uns zuerst: Was ist passiert und was daran ist mein Problem? Ist der Mensch, der den Spruch gebracht hat, mein Nachbar, ich fand ihn immer nett und bin jetzt auf einer Beziehungsebene enttäuscht? Oder ist mein Problem, dass ich mir in meiner Lieblingsbäckerei ein demokratischeres Miteinander wünsche? Der zweite Schritt ist, zu gucken, was ist der Kontext - in welcher Rolle bin ich hier und was ist das Ziel meines Gegenübers? Ist es ein Funktionär, der den Stadtrat dominieren möchte mit menschenverachtenden Aussagen? Oder ist es ein junger Mensch, für den ich Verantwortung trage als Pädagogin? Das sind ja jeweils sehr unterschiedliche Settings. Davon ausgehend kann ich fragen: was ist mein Ziel in dieser Situation? Ich habe den Eindruck, der Fokus darauf, die „Rechten überzeugen“ zu wollen, verstellt uns oft den Blick auf andere Handlungsmöglichkeiten.

Was könnte ich denn noch machen, außer zu widersprechen, wenn ich in der Schlange beim Bäcker stehe? Sagen wir mal, die Ausgangslage war ein queerfeindlicher Spruch...

Lisa: Wenn die von dem Spruch betroffene Person im Raum ist, würde ich diese Person ansprechen und zum Beispiel sagen, bitte lass dich nicht fertig machen von den queerfeindlichen Arschlöchern. Dann wäre mein Fokus auf dieser Person.

Das würdest du eher im leisen Zwiegespräch sagen?

Lisa: Das kommt darauf an, wie die Situation ist.

Anne: Man kann erstmal auf die Person zugehen und sagen, ich habe das auch gehört, ich finde das scheiße. Brauchst du gerade was? Falls ja, hast du einen Wunsch an mich? Zu signalisieren, ich bin bei dir…

Lisa: Genau. Es gibt ja nicht nur die sehr mutigen, konfrontativen Strategien. Die sind nicht die einzige Option - und je nachdem, wie sicher ich mich selbst fühle, vielleicht auch nicht ratsam. Mindestens kann ich die betroffene Person anlächeln, mich zu ihr stellen.

Anne: Wenn man das Gefühl hat, dass die anderen im Raum das ähnlich sehen wie man selbst, kann man sie mit einbeziehen und fragen: Wie seht ihr das denn? Oder man sagt einmal laut: Ich sehe das anders, danke, tschüss.

Viele haben ja Scheu, sich einzumischen, weil sie keine Lust auf lange, schwierige Diskussionen haben…

Lisa: Es kann sehr erleichternd sein, zu merken, dass es nicht nur die Wahl gibt, alles so stehen lassen oder eine halbe Stunde Debatte zu führen. Nur weil ich eine antidemokratische Raumnahme nicht unwidersprochen stehen lasse, hat ja mein Gegenüber keinen Anspruch darauf, dass ich eine halbe Stunde mit ihm diskutiere

Und wenn das Gegenüber sagt, Sie haben die Diskussion doch angefangen, wieso wollen Sie jetzt nicht mit mir reden?

Lisa: Dann antworte ich: Nein - Sie haben einen rassistischen oder queerfeindlichen Spruch in den Raum gestellt und ich habe dem widersprochen. Das ist noch kein Gespräch.

Und was, wenn ich in eine Debatte wirklich einsteigen möchte? Habt ihr da auch Tipps, wie man am besten vorgeht?

Anne: Das kommt wieder darauf an: was ist die Situation und was ist das Ziel? Wenn das zum Beispiel im Familienkontext stattfindet, ist es nochmal ganz was anderes. Wenn ich zum Gegenüber eine Beziehungsebene habe, kann ich die durchaus einzusetzen und auf Gemeinsamkeiten verweisen. Was nicht hilft, wenn ich jemanden überzeugen will, ist, zu sagen, du hast was Rassistisches gesagt, deswegen bist du Nazi. Sondern: Diese Aussage ich rassistisch, weil¬…

Lisa: Eine andere Strategie ist Empathie. Indem ich sage, ich höre, dass du ein Problem ansprichst - ich habe da aber einen anderen Lösungsvorschlag. Oder indem ich meine eigene Betroffenheit offen lege. Wenn ich von jemanden, den ich besser kenne, einen queerfeindlichen Spruch höre, sage ich manchmal: das, was du gerade gesagt hast, verletzt mich. Solche Sachen hört mein Kind auch in der Schule und das ist schädlich für mein Kind. Ich weiß, es ist nicht dein Ziel, meinem Kind zu schaden, aber faktisch tust du das mit deiner Aussage. Mit sowas muss man allerdings vorsichtig sein, weil mich das natürlich verletzlich macht.

Also es gilt auch, sich selbst zu schützen?

Lisa: Selbstschutz ist ebenso wichtig wie der Schutz von Betroffenen. Ich will jetzt das auf keinen Fall so verstanden wissen, dass sich alle Queers in Gesprächen mit rechts denkenden Menschen outen sollen. Für mich ist es in einem bestimmten Kontext eine wirksame Strategie. Das kann für andere aber ganz anders sein.

Welche Rolle spielt Queerfeindlichkeit in den rechten Diskursen, die euch begegnen?

Anne: Das ist eines der größten Mobilisierungsthemen der Rechten in den letzten Jahren. Im Umfeld extrem rechter Jugendgruppen, wie der „Elblandrevolte“ in Sachsen beispielsweise: Queerfeindlichkeit, wie jetzt im Sommer als Mobilisierung gegen CSDs, ist da leider sehr anschlussfähig.

Wie kann man sich dagegen stellen?

Anne: Wenn ich ein Verein bin, der Kulturveranstaltungen macht, kann ich beispielsweisedurch die Wahl meiner Themen, durch das Einrichten meiner Räume signalisieren, dass ich queerfreundlich bin. Oder man kann auch schauen: wo gibt es dieses Jahr CSDs bei mir in der Umgebung? Kann ich da unterstützen und auch fragen: , was wollen oder brauchen die Leute vor Ort?

Lisa: Als queere Person brauche ich Räume, in denen ich mich austauschen kann mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen. Das wird in den nächsten Jahren in Sachsen noch unglaublich wichtig werden: Rückzugsräume und Räume der institutionalisierten Freude zu schaffen und zu erhalten, um weiter hier leben zu können.

Findet ihr, dass überregionale Medien zu einseitig über Sachsen berichten? Viele wissen zum Beispiel gar nicht, wie viele queere Initiativen es dort gibt, weil das in der Presse selten vorkommt ...

Lisa: Es gibt kaum ein Bundesland, in dem dieses Jahr so viele CSDs stattfinden wie in Sachsen. Die Queers im ländlichen Raum sind gerade ganz besonders mutig – und das ist nicht selbstverständlich. Die Kämpfe, die hier seit Jahrzehnten geführt werden, kommen in der westdeutschen Wahrnehmung selten vor. Ich habe das Gefühl, dass das Lernpotenzial, das die ostdeutsche Erfahrung bietet, oft ignoriert wird. Es ist ja ein Fehlschluss, zu glauben, das Problem von rechtsextremer Raumnahme und auch von AfD-Wahlergebnissen ließe sich lösen, indem man sich von Ostdeutschland distanziert.

Anne: Auf jeden Fall lohnt sich ein differenzierter Blick. Diese Beschäftigung mit extremen Rechten ist unfassbar zermürbend. Was aber total der Lichtblick ist, sind die ganzen Leute, die seit Jahrzehnten gute Arbeit hier machen. Denen gilt es viel mehr Aufmerksamkeit zu geben.

Das „Kulturbüro Sachsen“ ist ein Verein für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

Lisa Bendiek arbeitet in der Fachstelle Jugendhilfe und berät pädagogische Fachkräfte.

Anne Gehrmann ist bei der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus tätig und unterstützt alle Menschen, die sich mit extremen Rechten auseinandersetzen wollen oder müssen - von Einzelpersonen über Vereine bis zur Kommunalpolitikerin.

 

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