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Umtriebige Lebenskünstlerin: Lesbische Szene-Aktivistin Lotte Hahm mit Gedenktafel geehrt

Lotte Hahm (1890-1967) gründete den Damenklub Violetta und führte mit ihrer Lebensgefährtin zwischen 1926 und 1932 mehrere Lesbenbars in Berlin. Heute bekommt die Vorkämpferin für die Organisierung von Lesben und trans* Personen eine Gedenktafel.

Spinnboden Lesbenarchiv via. Digitales Dt. Frauenarchiv Lotte Hahm (1890-1967)

Von Ingebord Boxhammer/ Christiane Leidinger

13.9.2023 - Lotte Hahm war eine markante Erscheinung. In den Lesbenzeitschriften der Weimarer Republik, in denen sie zu ihren Veranstaltungen einlud, inszenierte sie sich androgyn in lässigen Selbstporträts mit Frisur, Kleidung und Accessoires, die Männern vorbehalten waren: Hose beziehungsweise Anzug, mal Smoking, dazu Fliege oder Krawatte – und immer: mit extrem kurzen Haaren.

Die gebürtige Dresdnerin und Wahlberlinerin war eine bedeutende Vorkämpferin für die Organisierung von Lesben und trans* Personen – die beide damals auch mit dem Begriff „Transvestiten“ bezeichnet wurden –, entwickelte und prägte die subkulturelle Szene insbesondere zwischen 1926 und 1932. Als einfallsreiche und multifunktionale Veranstaltungsmanagerin bot sie unterschiedlichste Events in Berlin, zunächst an wechselnden Adressen des Damenklubs Violetta, wie etwa im Jägerhof-Kasino auf der Kreuzberger Hasenheide.

Die Klubs sollten städteübergreifend vernetzt werden

Neben Geselligkeit und Spaß versuchte sie Lesben und „Transvestiten“ für politische Arbeit zu mobilisieren. Die Klubs sollten städteübergreifend vernetzt und zu einer handlungsfähigen Organisation vereinigt werden. Außerdem verteilte Hahm Geld um: Teilweise wurde erwerbslosen Lesben das Eintrittsgeld erlassen und mancher Partyerlös kam ihnen solidarisch zugute.

Ihre anfangs verheiratete Lebenspartnerin „Kät(h)e“ Katharina Fleischmann (1899–1967) lernte Hahm vermutlich in der Berliner Subkultur kennen. Dort mischte sie seit den 1920er-Jahren als Gastronomin mit – bis der erstarkende Antisemitismus sie zur Geschäftsaufgabe zwang. Mit ihrer Hilfe wurde Hahm selbstständige Lesbenbar-Betreiberin mit erstmals fixer Adresse: Nacheinander eröffnete sie die Monokel-Diele und die Manuela-Bar.

Anfang 1933 schlossen die Nazis die subkulturellen Lokale und verboten die Zeitschriften. Dennoch gaben Hahm und Fleischmann auch im Nationalsozialismus nicht auf: Sie benannten den Damenklub Violetta in Sportklub Sonne um und organisierten heimlich Tanzabende für Lesben und trans* Personen.

Lotte Hahm in einer Annonce für ihren Damenklub Violetta in der Zeitschrift „Liebende Frauen“, 1927 (Fotonachweis: Spinnboden Lesbenarchiv via. Digitales Deutsches Frauenarchiv)

Lotte und Käthe überlebten die NS-Diktatur - aber nicht als Paar

Nach Denunziation und Verbot entwickelte Lotte Hahm – Lebenskünstlerin, die sie war – alternative Pläne: Sie eröffnete etwa 1935 auf der kleinen Ostseeinsel Hiddensee eine Pension – vermutlich für Lesben. 1937/38 verdingte sie sich im Großraum Berlin als Händlerin für Textilwaren. Währenddessen verlor Käthe Fleischmann als antisemitisch Verfolgte im Jahr 1938 vollständig ihre Existenzgrundlage und musste zudem Zwangsarbeit leisten. Glücklicherweise konnte sie 1941 fliehen. Ende 1941/ Anfang 1942 war auch Lotte Hahm eine ihrer Fluchtbegleiterinnen nach Dresden und ins Saarland. Käthe Fleischmann überlebte die NS-Diktatur in wechselnden Verstecken.

Als Fleischmann 1966 gefragt wurde, befürwortete sie keine offizielle Ehrung Lotte Hahms durch die Stadt Berlin für Hilfeleistungen während der NS-Zeit: In der Akte ist nachzulesen, dass Hahm sie „im Stich gelassen“ habe. Spätestens seit Ende der 1950er-Jahre gingen die beiden Frauen getrennte Wege.

„Kampfeslust muss eure Herzen erfüllen“

In der Nachkriegszeit soll Lotte Hahm wieder Lesbenlokale mitgegründet haben. Das würde sehr gut zu ihr passen – belastbare Quellen ließen sich dafür bislang jedoch nicht finden. 1958 versuchte Hahm mit einigen anderen, den homosexuellen Bund für Menschenrecht neu zu gründen. Die umtriebige Lotte Hahm starb 77-jährig am 17. August 1967 in Berlin-Wannsee.

Ihr Grab ist leider nicht erhalten. Umso erfreulicher ist die Anbringung einer Gedenktafel des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg auf der Hasenheide 52/53 zu ihrer Erinnerung und Würdigung im Berliner Stadtbild. Leidenschaftliche Aufforderungen von Hahm wie „Kampfeslust muß eure Herzen erfüllen und aus euren Augen leuchten“ liefen damals vielfach ins Leere – mögen sie uns heute ebenso politischer Auftrag sein wie Lotte Hahms gebaute Brücke zwischen Lesben und trans* Personen.

Einweihung der Gedenktafel für Lotte Hahm, 13. Sept., 17:00 Uhr, Hasenheide 52/53, Berlin

 

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