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Gynäkologische Vorsorge: „Kommt nicht nur alle Jubeljahre!“

Die Arbeit von Gynäkolog:innen umfasst viel mehr als den Abstrich. Worauf ihr bei der Vorsorge achten solltet, was untersucht wird und wie sinnvoll Menstruationsbluttests sein können, hat L-MAG im Gespräch mit der Gynäkologin Dr. Anne Weber erfahren.

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Von Amanda Beser

21.1.2024 - Letzte Woche stellten wir das Start-up „The Blood“ vor und fragten, was hinter ihrem Testset für Menstruationsblut steht. Mit der Dresdener Gynäkologin Dr. Anne Weber unterhielten wir uns darüber, wie sinnvoll diese Tests sind, was bei der frauenärztlichen Vorsorge wichtig ist und wofür Ärzt:innen nicht bezahlt werden.

Wie sieht eine gynäkologische Vorsorge aus? Für wen ist das relevant und wann?

Dr. Anne Weber: Wir unterscheiden verschiedene Altersgruppen bei der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung, die eine sogenannte Krebsvorsorge-Untersuchung ist. Da haben wir einmal die jungen Frauen vor 20, dann die 20 bis 35-Jährigen. Es geht dann weiter mit Altersgruppen ab 35, 50, 55 und 70. Den Krebsvorsorgeabstrich macht man ab 20, das ist dann eine Kassenleistung. Dabei wird ein Abstrich gemacht vom Gebärmutterhals. Es wird geschaut, ob da Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs zu finden sind. Ich sehe allerdings auch jüngere Frauen und Mädchen. Bei ihnen geht es dann allgemeiner darum, den eigenen Körper kennenzulernen, die Brust. Man bespricht Fragen zum Thema Impfen, Periodenblutung, Infektionen, Verhütung. Sobald sie sexuell aktiv werden, würde man auch einen sogenannten Krebsvorsorgeabstrich mitmachen, weil ja seit einer Weile bekannt ist, dass ein Großteil der Gebärmutterhalskrebserkrankungen über die HPV-Viren ausgelöst werden. Ich taste auch immer, egal wie alt die Frauen sind, die Brust mit ab und leite zur Selbstuntersuchung der Brust an. Bei den Frauen bis 25 gehört zur Vorsorge auch noch ein jährlicher Test auf Chlamydien mit dazu. Zumindest biete ich es an. 2020 haben sich bei den ab 35-Jährigen die Vorsorgerichtlinien geändert: Alle drei Jahre wird der Krebsvorsorgeabstrich vom Gebärmutterhals gemacht. Wenn der HPV-Test negativ ausfiel, wird der Abstrich weiterhin nur alle drei Jahre genommen.

Welche Untersuchungen sollten jährlich erfolgen?

Bei der jährlichen Vorsorge-Unteruchung schaue ich, wie der Gebärmutterhals aussieht? Ist die Gebärmutter in Ordnung? Sind die Eierstöcke in Ordnung? Außerdem gibt es zusätzliche, individuelle Gesundheitsleistungen, die aber von der Kasse nicht bezahlt werden. Dennoch sind sie meines Erachtens durchaus sinnvoll, wie zum Beispiel das Ultraschallbild von der Gebärmutter und dass man die Schleimhaut beurteilt, sich die Eierstöcke anschaut. Die Befunde an den Eierstöcken werden oft erst gefunden, wenn sie relativ groß und häufig dann auch nicht mehr gut behandelbar sind. Ab dem 50. Lebensjahr kommt noch die Darmkrebsfrüherkennung dazu. Da gibt es jährlich die Möglichkeit bis zum 55. Lebensjahr immunologische Stuhltests zu machen und ab dem 55. Lebensjahr wird dann die Darmspiegelung empfohlen. Vorteil dieser Früherkennung ist, dass man die Befunde sehr früh findet und diese häufig auch sehr gut behandelbar sind.

Privat Dr. Anne Weber

Vom 50. bis 70. Lebensjahr gehört das Mammografie-Screening dazu, dass alle zwei Jahre gemacht wird. Es hat den Vorteil, dass man auch hier die Befunde sehr früh findet. Der Nachteil ist, dass man manchmal auch Befunde bekommt, die sehr klein sind und vielleicht keine Probleme machen würden. Es gibt auch unsichere Befunde, die Folgeuntersuchungen und Unsicherheit bei den Frauen auslösen können. Deswegen ist es auch eine individuelle Entscheidung, das Mammografie-Screening zu machen oder nicht. Ich finde, die Vorsorge ist für jede Frau relevant, und ich glaube, es ist wichtig, dass man regelmäßig kommt, jährlich und nicht nur alle paar Jubeljahre.

Wie wichtig und sinnvoll sind in dem Kontext Periodenblut-Tests? Gibt es in der Fachwelt eine Diskussion zu diesen Tests?

Nein, absolut nicht. Bis jetzt gibt es noch keine eingeführten Bluttests im gynäkologischen Vorsorgebereich. Es gibt bisher auch überhaupt keine Untersuchung von Menstruationsblut – das ist was komplett Neues. Natürlich reden Patient:innen mit mir darüber wie ihre Blutung ist, wie stark oder schwach diese ist, ob sie Schmerzen dabei haben und wie lang die Periode ist. Das sind alles wichtige Hinweise für uns. Aber es werden bis jetzt keine Hormone oder etwas anderes im Periodenblut untersucht. Blutuntersuchungen werden zwar in der Gynäkologie in verschiedenen Kontexten gemacht, aber nicht mit Periodenblut. Bei Hormon-Fragen könnte ich mir vorstellen, dass das vielleicht in irgendeiner Weise sinnvoll ist. Aber da müsste ich mehr darüber wissen.

Was wünschen Sie sich für die Vorsorge und welche Hürden sehen Sie aktuell?

Ich wünsche mir einfach, dass wir mehr Zeit haben und die Medizin ganzheitliche Ansätze und psychosomatischen Behandlungen anders würdigt. Wir sollten nicht nur dafür vorgesehen sein, einen Abstrich und eine Tastuntersuchung zu machen. Für viele Frauen sind wir wichtige Ansprechpartner:innen zu allgemeiner Lebensführung, Impfungen, psychischen Problemen und anderem. Und das spiegelt sich in keiner Weise in unserem Honorar wider. Bezahlt werden sehr viele Untersuchungen, die wir in relativ kurzer Zeit machen. Wir werden nicht für die Zeit bezahlt, die wir uns für einzelne Patientinnen nehmen. Das kassenärztliche System sieht das in der Honorarstruktur nicht vor. Wir haben ein gutes Gesundheitssystem aber es hat seine Grenzen.

Lest ergänzend zu diesem Interview auch unseren Artikel Ohne Ersatzflüssigkeit: Menstruation und Empowerment, der in L-MAG 1/2024 erschien und hier online steht.

 

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