L-Mag

„Lesbianizing the World!“ - Internationale Lesbenkonferenz in Budapest

Die dritte Lesbenkonferenz EL*C in Budapest war vom aktuellen Krieg in der Ukraine geprägt und zudem von der Entschlossenheit, größer zu werden, das lesbische Erbe zu bewahren und mehr Diversität in das junge Lesbennetzwerk fließen zu lassen.

Annabelle Georgen

Annabelle Georgen

6.10.2022 - Olha Kobylianska, Audre Lorde, Leslie Feinberg … Die Seminarräume tragen Namen von namhaften Lesben. Im Atrium prangt ein Banner, auf dem eine lilafarbene Welle abgebildet ist – sie besteht aus zahlreichen Demonstrantinnen. „One lesbian ist a blessing, hundreds coming together are a revolution!“ kann man darauf lesen. Über die Flure und ins Auditorium strömen Dutzende von Lesben. Drei Tage lang sieht die Central European University von Budapest so aus, wie man sich eine „Lesbenuni“ vorstellen könnte.

Die dritte europaweite Tagung EL*C (= Eurocentralasion Lesbian* Community) hat dieses Jahr „Lesbian Resistance“, also lesbischen Widerstand, als Motto. Fast 300 Teilnehmerinnen aus der ganzen Welt sind in der ungarischen Hauptstadt vereint, hören sich Vorträge von lesbischen Aktivistinnen an und nehmen an Panel-Diskussionen teil, die sich mit politischen Themen aus einer lesbischen Perspektive auseinandersetzen. Die kämpferischen Titel der zahlreichen Talks geben den Ton an : „Lesbians heading social justice movements“, „Romnja* and Sintezzi* Lesbians defying patriarchy“, „Lesbians Hacking the future“, „Lesbianizing the world“…

Auch der aktuelle Krieg in der Ukraine ist ein Schwerpunkt im umfangreichen Programm der Konferenz. Queere ukrainische Geflüchtete geben einen Einblick in ihrem neuen Alltag im Exil. Aktivistinnen des EL*C-Netzwerks berichten, wie lesbische Solidarität in Zeiten vom Krieg aussehen kann: Mit der Hilfe einer serbischen Apothekerin haben sie Medikamente, die sich in ihren Koffern und Autos versteckten, nach und nach in die Ukraine geliefert.

Queeres Märchenbuch unter homophobem Beschuss

Über die angespannte politische Lage in Ungarn, in dem letztes Jahr ein homo- und trans*-feindliches Gesetz nach russischem Vorbild eingeführt wurde (wir berichteten), spricht die Budapester Aktivistin Dorottya Rédai. Mit voller Wucht hat sie diesen Backlash gespürt, als das Buch „Märchenland für alle“ letztes Jahr erschienen ist. Dorottya Rédai koordinierte dieses alternative, queerfreundliche Kinderbuch, das Neuerzählungen von traditionellen Märchen sammelt. „Das Buch wurde von den Anti-Gender-Kräften Ungarns angegriffen. Das Ergebnis: Es darf nur verpackt verkauft werden und nicht im Schaufenster von Buchhandlungen liegen, die weniger als 200 Meter von Schulen und Kirchen entfernt sind“, erzählt die lesbische Aktivistin.

Ein anderes whichtiges Thema der Konferenz ist die Erhaltung des lesbischen Erbes. Stichwort: Archiv. Die Soziologin Marian Lens, die seit vielen Jahren beim großen belgischen Lesbenarchiv „Les Lesbianaires“ aktiv ist, gibt praktische Empfehlungen an Aktivistinnen, damit ihre aktuellen und vergangenen Kämpfe nicht in Vergessenheit geraten. Eine andere Teilnehmerin des Workshops bittet die Teilnehmer:innen darum, ihre Badges, Flyers, T-Shirts und Jutebeutel aus der Konferenz nach ihrer Rückkehr aufzubewahren und später an ein Archiv zu übergeben. In einem anderen Talk betont eine Aktivistin diese Idee : „Wir schreiben gerade Geschichte und werden es auch weiter tun.“

Über Europas Grenzen hinaus: „Sky is the limit“ 

Seit ihrer Gründung vor fünf Jahren ist die lesbische Konferenz stets gewachsen. Aus der „European Lesbian* Conference“, die 2017 in Wien und zwei Jahre später in Kiew stattfand, ist nun eine „Eurocentralasian Lesbian* Community“ geworden. Der Fokus der Tagung, die sich am Anfang als Treffpunkt für lesbischen Aktivistinnen aus West- und Ost-Europa verstand, soll jetzt weit über die Grenzen der EU hinaus gehen.

Die Macherinnen der EL*C haben große Pläne für die Zukunft, wie die serbische Aktivistin Dragana Todorovic, Ko-Leiterin der Organisation, es am zweiten Tag der Konferenz verrät. Ihre energische Rede dreht sich um die Finanzierung der EL*C. Sie erzählt, wie die EL*C lange „die Mücke im Raum“ war: „Wir haben jahrelang gekämpft, um einen Sitz am Tisch zu bekommen, wir sind zu allen Treffen mit LGBTIQ-Vereinen gegangen, selbst wenn wir nicht eingeladen waren.“ Am Ende hat die EL*C es geschafft, dieses Jahr mehr als eine Million Euro an EU-Geldern zu bekommen und zwei weitere Millionen für die nächsten vier Jahre. „Sky is the limit!“, sagt Dragana Todorovic lächelnd.

Träume vom lesbischen Altersheim auf Lesbos

Sie träumt davon, über die EL*C einen Teil dieses Geldes künftig an kleine lesbische Initiativen rund um Europa und Zentralasien weiterzugeben. „Wir sind oft zu bescheiden, wir denken oft nicht groß genug“, sagt sie. Und kündigt als Beispiel ihres „Think big“-Mottos gleich eine der nächsten Baustellen an: Ein lesbisches Altersheim auf der Insel Lesbos, auf einem Grundstück direkt am Meer, in dem 200 Lesben wohnen könnten. Ihre Rede endet mit lauten Hurraschreien aus dem Publikum.

Bevor dieses Traum wahr wird, gibt es aber andere Kämpfe zu führen. Die Konferenz endet mit einem kleinen bunten Dyke* March auf den Straßen Budapests, der friedlich verläuft. Eine Demonstrantin schwenkt ein Schild, auf dem steht: „touching grass is not enough, i need a real queer utopia.“

Mehr Infos auf der Webseite der EL*C.

 

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