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Wenn Lesben reisen: Mit Rucksack und Arbeitsstiefeln nach Neuseeland

Dem Winter entfliehen? L-MAG-Reisereporterin Dana Müller hat’s getan: Sie bereiste mit ihrer Freundin zwei Monate lang das atemberaubend schöne Neuseeland, wohnte dort bei Farmerfamilien, besuchte die Hobbits und erkundete die LGBTQ-Community.

Dana Müller

Von Dana Müller

18.2.2024 - Weite Vulkanlandschaften, eisige Gletscher und strahlend blaues Meer. Neuseeland lockt mit einer einzigartigen Bandbreite an Naturerlebnissen und das auf einer relativ kleinen Fläche. So liegt kein Ort weiter als 128 km vom Meer entfernt. Damit kann man zur richtigen Jahreszeit auf der Südinsel morgens im Meer surfen gehen und nachmittags in den Neuseeländischen Alpen – mit seinen über 3.000 m hohen Bergen und zahlreichen Gletschern – Ski fahren. Rund 2,9 Mio. Besucher:innen aus Übersee kamen selbst im Postcorona-Jahr 2023 (laut neuseeländischen Census). Meine Freundin und ich waren zwei davon.

Neben der atemberaubenden Natur lockt noch ein weitere Faktor: Seit der erfolgreichen Verfilmung von Tolkins Herr der Ringe erlebte der Tourismus in Neuseeland einen Aufschwung, denn die vielfältige Landschaft eignet sich wunderbar als Filmkulisse. So besuchten wir nicht nur „Hobbiton“ und tranken im „Green Dragon Inn“ ein kühles Bier, sondern wanderten in Tongario Nationalpark durch die Landschaft Mordor und bestaunten den „Schicksalsberg“, der in Wahrheit ein aktiver Vulkan ist. Wir kamen an Gollums Pool vorbei und warfen in Wellington sogar einen Blick hinter die Kulissen der Blockbuster-Welt: Im Weta Workshop, ein mittlerweile international gefragtes Unternehmen, lernten wir alles über Spezialeffekte in Filmen.

Kein Reiseziel für einen Kurzurlaub

Mit über 20 Stunden Flug von Deutschland entfernt, ist Neuseeland allerdings kaum eine Destination, die viele in einen zweiwöchigen Urlaub quetschen, und so trafen wir reichlich Deutsche, Schweizer:innen und Französ:innen, die gleich mehrere Monate oder gar ein Jahr durch Aotearoa reisten (Bezeichnung der Maoris, die auch im allgemeinen Sprachgebrauch immer mehr verwendet wird). Wir nahmen uns zwei Monate Zeit: einen Monat für die Nord- und einen für die Südinsel.

Vor zwei Jahren entschieden wir uns für ein Sabbatical. Ursprünglich wollten wir rund ein Jahr mit dem Fahrrad um die Welt fahren. Doch dann wurden es 16 Monate (L-MAG berichtete) und kaum zurück in Berlin, vermissten wir schnell das Reisefeeling. Also beschlossen wir, noch einmal dem deutschen Winter zu entfliehen und für vier Monate nach Australien und Neuseeland zu fliegen, diesmal ohne Rad, dafür als freiwillige Helferinnen auf Familienfarmen.

Überraschend für uns: von November bis Januar war es dann doch gar nicht so warm wie erhofft. Die Sommertemperaturen (Dezember bis Februar) liegen tagsüber im Durchschnitt zwischen 21° und 23° Grad, nachts kühlt es oft ab. Im Vergleich zum deutschen Winter klingt das verlockend, aber in der Realität hatten wir ganz schön oft unsere wind- und wasserfesten Outdoorjacken an.

Eines der sichersten Reiseländer für LGBTIQ

Übrigens ist Neuseeland eines der sichersten Reiseziele: Das deutsche Auswärtige Amt schreibt, dass die innenpolitische Lage „insgesamt ruhig“ sei. Nur Naturgewalten können zur Gefahr werden, denn der Inselstaat liegt in einer seismisch aktiven Zone. Heißt: Hin und wieder drohen Erdbeben und Vulkanausbrüche.

Und was das Reisen als lesbisches Paar angeht: Selten war es für uns so entspannt. Die „Kiwis“ (ein Volk, das einen süßen flugunfähigen Vogel als Eigenbezeichnung wählt, ist mir grundsätzlich sympathisch) sind einfach unfassbar freundlich und hilfsbereit.

Dana Müller Dana und ihre Freundin Anke in „Hobbiton“

Was die rechtliche Lage für LGBTIQ* betrifft, liegt das Land im internationalen Vergleich weit vorn. Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist seit 2013 legal, und lesbische Paare, die ein gemeinsames Kind via Samenspende bekommen, werden beide rechtlich als Eltern eingetragen (seit 2004!!!). Und seit 2022 ist die Konversionstherapie illegal. Übrigens war Neuseeland auch das erste Land weltweit, das Frauen das Wahlrecht gewährte: schon 1893!

Während unserer zwei Monate im Land arbeiteten wir ganze sechs Wochen für Kost und Logie auf privaten Farmen. Dank WWOOF verbrachten wir teilweise drei Wochen am Stück mit einer Familie. Bereits vor der Anreise outeten wir uns dort als lesbisches Paar, und niemand stellte komische Fragen oder war befangen im Umgang.

Wo ist die queere Community?

Für Reisende ist es allerdings, schwer, Zugang zur queeren Community zu finden. In Auckland, Neuseelands größter Stadt, gibt es diverse Bars und Clubs (z.B. die Eagle Bar und G.A.Y.), die mit Dragshows werben und (wie so oft) vor allem ein Treffpunkt für Schwule sind. Die queeren Bars in der Innenstadt von Christchurch wurden beim großen Erdbeben von 2011 zerstört und seitdem nicht wieder aufgebaut. Die Hauptstadt Wellington, ein quirliges, hippes Örtchen am Meer mit gerade mal 213.000 Einwohnern, hat hingegen reichlich Charme und einige homophile Orte.

Einziger Minuspunkt: die Finanzen. Reisen ist auf der „grünen Insel“ im Vergleich zu Deutschland und sogar für Schweizer Verhältnisse recht teuer. Dafür bieten Backpackers und Camping-Plätze einen recht hohen Standard. Der Reisetraum – mit dem Wohnmobil die Natur entdecken – geht tief in den Geldbeutel: Die reine Miete für einen günstigen Camper kostet pro Woche weit über 1.000 Euro.

Letztendlich brauchten wir eine Weile, um die breite Schönheit des Landes zu begreifen. Es war einfach überwältigend. Die Landschaft bietet für jedes Gemüt etwas – egal ob Wanderfreak, Camping-Fan, Surferin, Ski-Begeisterte, Höhlenforscherin oder Luxusreisende. Hinzu kommt die schier unfassbare Freundlichkeit und Offenheit der Kiwi. Allein dafür lohnt es sich, mehr als ein paar Wochen Europa hinter sich zu lassen.

 

Weiterlesen:

Dana Müller: Wenn Lesben reisen - Mit Fahrrad, Freundin und Zelt um die Welt: Teil 1 (Juni 2022), Teil 2 (September 2022), Teil 3 (Jan. 2023), Teil 4 (März 2023) und Teil 5 (Apr. 2023)

Die queerfreundlichsten Städte in Europa

 

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